Fahrt

Im Zug, noch leer und ungewohnt ruhig, vielleicht der frühen Uhrzeit geschuldet. Mit Fensterplatz, klaro. Einfach fahren, sitzen, schauen, was an mir vorbeizieht. Ich sehe was, was du hier liest:
Kahle Bäume. Braune Felder. Dazwischen Feldwege. Noch leere Straßen. Wolkenschlieren. Krähen. Ein paar Gartenhäuschen. Wieder Felder. Vier Rehe. Eine Reihe Büsche, eingefrostet. Strommasten. Häuser, manche neu gebaut, einige verfallen. Industriegebäude. Graffiti an einer Lagerhalle. Ampel. Mehr Strommasten. Hinweisschilder. Ein Schwarm Tauben. Rosa Sonnenaufgang. Waldstück. Zäune. Gerümpel im Garten. Ein Greifvogel auf seinem Ast. Wiesen. Flüsschen. Weiden am Ufer. Darüber Blauer Himmel. Flugzeug mit Kondenstreifen.
Sowas halt. Lässt sich ja unbegrenzt fortführen, so eine schlichte, sachliche Aufzählung von allem Gesehenen. Nette Nebenwirkung: Eröffnet neue Einblicke in die scheinbar bekannte Umwelt und hält die gedanklichen Schreckgespenster in Schach. Gute Fahrt, sag' ich mal.
Faul

Ich ertappe mich bei dem Gedanken, noch was schreiben zu "müssen". Noch ein Foto machen zu "müssen". Neben all den anderen "Müssens" des sogenannten Werktages stehen sie damit in guter Gesellschaft. Und apropos Gesellschaft: Weil ich natürlich ein Kind selbiger bin, bezeichne ich mich gleich als "faul", wenn die ganze Reihe nicht erwartungsgemäß abgearbeitet wurde.
Stop! Da will ich was umlernen, neu benennen und Anspruchshaltungen verändern. Schwierig, schwierig, aber lohnenswert, denk' ich.
Also: Ja, ich habe hier zwei Tage nicht geschrieben, obwohl ich mir das anders vorgenommen habe. Das Hirn war träge und voll mit anderem Zeug, der Rest nicht zu bewegen noch mitzumachen. Ist dann so, bringt ja nix. Sonst wird's murx und das braucht niemand. Drum Tagesform beachten und vielleicht den Anspruch aufgeben, irgendetwas wirklich JEDEN Tag zu tun. Außer essen, schlafen, Zähneputzen vielleicht. Schließlich "möchte" ich schreiben und Fotos machen und das Ding hier am Laufen halten, ohne Frust, dafür mit Freude. Deswegen: Pausenzeiten beachten, bitte. Danke.
Fußboden









Der Boden unter unseren Füßen. Immer wieder die Einladung, die Nase aus den News zu nehmen und zu fühlen. Eine spontane Erkundungsreise hin zu Erdung und Bodenhaftung zu unternehmen. Also, Atmen und kurz die Aufmerksamkeit nach unten, bitte.
Wo stehe ich gerade? Wie nehme ich meine Füße wahr? Auf welchem Untergrund? Was erspüre ich mit den Fußsohlen? Was Hartes, Weiches, Warmes oder Kühles? Erlaube ich mir, mich von dem Boden unter mir tragen zu lassen? Möchte ich noch was abgeben? Wie viel Platz haben meine Zehen? Wie fest ist mein Stand? Kann ich das gerade alles so ok sein lassen, ohne es anders haben zu wollen? Was erlebe ich sonst noch so, wenn der Fußboden für meinen Tastsinn gerade das größte Highlight darstellt?
Atmen und wieder ankommen. Mehr muss ja gar nicht sein. Mehr braucht's ja auch manchmal gar nicht sein. Nur mal kurz nach unten spüren und schauen. Gute Reise.
Flaneuse
Weibliche und soviel weniger gebräuchliche Form des französischen Begriffes "Flaneur". Laut Wikipedia "ein Mensch, der im Spazierengehen schaut, genießt und planlos umherschweift – er flaniert, beziehungsweise er gibt sich der Flanerie hin." Im Kreuzworträtsel auch die passende Antwort zu "Bummler, Müßiggänger". Natürlich spricht man auch hier in erster Linie in der männlichen Form. Zielloses, genussvolles Umherspazieren ist im Tages- und Lebensplan der Mehrheit der Frauen in Geschichte und Gegenwart nicht vorgesehen (gewesen). Schlimm genug.
Einfach gehen, schauen, inspiriert werden, entspannen, mit der Welt in Verbindung treten. Schritt für Schritt die Füße auf dem Boden spüren, die Gedanken an den Wind abgeben, einatmen, ausatmen. Stehenbleiben, in der Sonne pausieren, auf's Wasser gucken. Der Passantin zulächeln. Weitergehen. Mehr nicht. Und sei es für ein paar Augenblicke. So simpel, so rebellisch in seiner Ignoranz gegenüber zielorientierter Produktivität und allgegenwärtiger Konsumkultur. Nein, ich möchte nirgends hin. Ich spaziere nur. Weil's mir Spaß macht. Und bin mir bewusst, dass das keine Selbstverständlichkeit, sondern Privileg meiner Lebenssituation ist. Damit wiederum praktisch meine Pflicht, mich der Flanerie hinzugeben, um auch andere mitzunehmen, abzuholen. Stell ich mir schön vor, wenn wir alle einfach mehr mit uns selbst spazierengingen. Absichtslos, genussvoll. Mehr nicht.
Nein, heute kein Foto. Zu produktiv für's Flanieren. Ein andermal wieder.
Forst


Famose Farben und Formen, selbst im tristen Februar. Ob in der Höhe oder am Boden, es findet sich überall Fabelhaftes, was gewürdigt werden will. Ob in der Matsche oder in der Sonne, immer zieht's mich in den Wald. Zu den Fichten und Flechten, den Farnen und Finken. Ob Feierabend oder Ferientag, nirgends fühlt sich freie Zeit sonst so fabelhaft verbracht an. Fantastischer Forst.


Farbe

Hier als bunter Widerstand, gegen das Grau und Braun im öffentlichen Raum. Mal mehr, mal weniger ästhetisch und aussagekräftig, dafür immer richtig aufmerksamkeitsmagnetisch. Lohnt sich immer, so ein Farbsuchspaziergang.
Tschüssi Tristesse.

F wie ...
... Fokus im Februar.

Weg von Furcht, Fassungslosigkeit und Feindseligkeit.
Hin zu Fantasie, Feuer, Freundlichkeit.
Gegen den äußeren Frost und inneren Frust.
Für geteilte Freude und gelebte Fürsorge.
Ein F-Wort für (fast) jeden Februartag.
Fällt uns was ein?
Fangen wir an.
Leerlaufen


Wenn im unruhigen Gedankengewusel nix mehr hilft, hilft laufen. Gehen und gucken. Das Bewegen von Beinen und Füßen, am besten inmitten von Natur, mit ausladenden Armbewegungen und einladendem Blick. Möge etwas meine Aufmerksamkeit nehmen, bitte. Es braucht seine Zeit, ich gehe und gehe, denke und denke, an Arbeit und andere Menschen und all das, was hier draußen jetzt nun wirklich nichts verloren hat.
"Was soll ich im Wald, wenn ich dabei an etwas denke, das nicht Wald ist?" fragt Thoreau.
Genau, guter Punkt. Gilt meiner Ansicht nach genauso für Feld und Park und jedes andere Stückchen Natur, das bewusst erlebt werden will. Deswegen gehe ich ja schließlich dorthin, um mich dran zu freuen, mich zu sammeln und mich schließlich, im besten Fall und in bestgemeinter Art und Weise, leer zu laufen. Um wieder Platz zu haben, für das, was wirklich gesehen und getan werden will. Sinnvoll. Mit allen Sinnen eben. Nicht nur in Gedanken.
Gestern und heute
Zwei Tage, zwei Morgenspaziergänge, zwei völlig verschiedene Lebensorte.

Gestern: Auf einen Kurzbesuch im alten Leben. Zwischen Häuserschluchten und Menschengetümmel, Straßenlärm und Reizüberflutung. Aber auch: Zwischen meinen persönlichen Sternchen und den Verbindungen, die (m)ich halte(n). Für einen Tag nehme ich das auf, freue mich drüber, erinnere mich dran. Und fahre auch gern wieder. Bis zum nächsten Mal.

Heute: Auf einen ausgiebigen Gang in der neuen Nachbarschaft. Weite, windstill, winterfrostig. Balsam für das städtisch überreizte Gemüt. Mit den Gedanken bei den gestrigen Gesprächen, geteilten Erinnerungen und ausgetauschten Eindrücken. Mit dem Blick im Feld, im Nebel, im Nichts. Beides ist ein Genuss, ein Luxus, so eine Bereicherung. Danke dafür.
Näher ran

Etwas irritiert bis verwundert stehe ich davor, frage mich, was es mit diesem geflickten Kasten auf sich hat. Was soll das sein? Was war das mal? Was hat man sich dabei gedacht? Ausgeschnitten und zugemauert, ausgebessert und zugekleistert, wildes merkwürdiges Durcheinander, das ich mir nicht erklären kann. Wie Baiser auf Beton. In der einen Ecke hat jemand seinen Krempel abgelegt und in der anderen quillt die Füllung raus. Nee, wirklich Sinn macht das nicht und wenn ich zu lange drauf schaue, macht's mich irgendwie nervös. Aber interessant ist es ja doch und auf seine eigene Weise auch faszinierend, man wird sich was dabei gedacht haben.
Und beim genauen Hinsehen erkenne ich:

Ach ja, ist ja das Leben.